Recruiting ist die Führungsaufgabe der Zukunft

21.03.2023 | Recruiting

Der Fachkräftemangel hat uns in allen Bereichen eingeholt. Hat er ursprünglich nur die technischen Branchen getroffen, so ist es heute für Unternehmen aller Sektoren schwierig geworden, die richtigen Mitarbeiter:innen zu finden.

Recruiting ist die Führungsaufgabe der Zukunft

Tatsächlich gibt es nicht genug Fachkräfte auf dem Markt. Die Anzahl an Stellen für Informatiker, die wir besetzen sollen, steigt stetig an. Dabei gibt es in Wien noch gar keine Schule, die von Anfang an Informatik anbietet. Die Ausbildungswege reichen noch nicht aus, um die künftig benötigten Mitarbeiter auf den Arbeitsmarkt zu bringen.

Probleme sind teilweise hausgemacht

Allerdings sind die Probleme nicht nur am Arbeitsmarkt zu suchen, oft sind es interne Prozesse der Unternehmen, die das Besetzen von Stellen erschweren. So sind in vielen Organisationen die Führungskräfte immer noch nicht ins Recruiting eingebunden. Die Ansprache und Vorauswahl der Kandidat:innen wird noch alleine von der HR-Abteilung bewältigt.

Ich sehe in meiner täglichen Arbeit, dass die Abstimmung zwischen HR-Abteilung und den jeweiligen Führungskräften deutlich verbessert werden kann. Wir erleben oft, wie Kandidat:innen wieder abspringen – aufgrund unklarer interner Prozesse im Unternehmen.

Führungskräfte, die nicht rekrutieren, gehören in die Steinzeit.

Sarah Weber

Letztlich passen auch das von der Marketingabteilung in Auftrag gegebene Employer Branding im Hochglanz-Stil wenig zur tatsächlichen Arbeitskultur im Unternehmen. Je größer der Gap zwischen dem aufpolierten Employer Branding und der tatsächlichen Situation, desto schwieriger ist es, Stellen tatsächlich zu besetzen und Mitarbeiter:innen zu halten.

Wenn Recruiting nicht auf Augenhöhe läuft

Vor kurzem suchten wir eine Fachkraft für ein Technologie-Unternehmen. Ich war für das Recruiting verantwortlich. Um drei passende Personen zu finden und für ein Gespräch zu gewinnen, müssen wir am heutigen Fachkräftemarkt ungleich mehr Anstrengungen unternehmen als noch vor zehn Jahren, das ist kein Geheimnis. Auf die Inserate hatten sich keine passenden Kandidat:innen gemeldet, also setzten wir auf Direktansprache mithilfe von Active Sourcing. Active Sourcing ist für uns mittlerweile ein unverzichtbares Instrument, um Fachkräfte, die nicht am Arbeitsmarkt sind, zu identifizieren und anzusprechen.

Ich erinnere mich an das erste Gespräch mit dem Manager, der die Bewerbungsgespräche noch im alten Stil führte. Die ersten Frage war „Warum haben Sie sich denn bei uns beworben?“ oder „Warum sollen wir Ihnen eine Chance geben?“
 
Hier gab es die erste Verstimmung im Gespräch. Die Kandidat:innen hatten sich ja nicht beworben, sie waren bereits in einer Anstellung und hatten sich nur auf unsere Bitte zu einem Gespräch bewegen lassen. Hier hat längst eine Umkehr der Rollen stattgefunden. Aber viele Führungskräfte sind ins Recruiting nicht eingebunden und haben diesen Wandel noch nicht erkannt.

Es gibt aber auch ein positive Beispiele, so wie dieses Erlebnis, das kürzlich ich beim erfolgreichen Recruiting für ein IT-Unternehmen hatte:

Das Bewerbungsgespräch führt der Leiter der Abteilung, in der besetzt werden sollte. In einer energetischen Rede beschrieb er seinen Karriereweg mit echter Begeisterung, von seinen Anfängen im Unternehmen über seine Herausforderungen und Erfolge, aber auch wo er gescheitert ist.

 
Er erzählte damit nicht nur seine eigene, authentische Geschichte, sondern vermittelte gleichzeitig die Arbeitskultur des Unternehmens und seinen eigenen Führungsstil. Einer der Kandidat war sofort inspiriert und sagte zu. Ich habe immer wieder erlebt, dass Führungskräfte, die das Recruiting mitgestalten, wesentlich zum Erfolg der Stellenbesetzung beitragen.


3 Strategien für erfolgreiches Recruting

1. Recruiting ist Führungsaufgabe

Von der Kultur der Start-Ups kennen wir das Prinzip, dass Führungskräfte selbst für das Recruiting verantwortlich sind. Start-Ups müssen schneller besetzen als etablierte Unternehmen. Dort ist die HR-Abteilung in einer unterstützende Rolle, die Führungskraft ist im Lead.

Bei jungen IT-Unternehmen werden Manager:innen daher auch an ihrer Recruting-Performance gemessen, schließlich hängt die Erfüllung der Umsatzziele vom erfolgreichem Mitarbeiter-Aufbau ab.

Authentisches und nachhaltiges Employer Branding bedeutet, dass alle Führungskräfte und auch die Mitarbeiter:innen das Unternehmen nach außen repräsentieren und damit langfristig auch in das Konto der Unternehmens-Marke einzahlen. Nur solchen Unternehmen wird es in Zukunft gelingen, Kandidat:innen anzusprechen und für die Arbeit im Unternehmen zu begeistern.

Das Netzwerk der Führungskräfte wird dabei immer wichtiger. Ein Dialog zwischen Manager:innen und Kandidat:innen auf Augenhöhe ist heute entscheidend, um Talente an Bord zu bekommen.

2. Recruiting ist Teil der Unternehmensstrategie

Um erfolgreich Stellen zu besetzen, muss Recruiting weit oben als Teil der Unternehmensstrategie angesiedelt werden. Eine konsistente Personalstrategie mit einer Recruting-Strategie identifiziert, welche Stellen in Zukunft im Unternehmen besetzt werden müssen.

Wen suchen wir? Welche Qualifikationen, welchen Senioritätsgrad? Und schließlich endet Recruiting nicht mit der Besetzung, zur Strategie gehört auch die Überprüfung der Gehaltsniveaus, das Onboarding der neuen Mitarbeiter:innen, und die Aus- und Weiterbildung.

Unternehmen, die nachhaltig erfolgreich rekrutieren und besetzen, haben also ihr Recruiting strategisch aufgestellt. Recruiting ist in diesen Organisationen Teil der strategischen Entscheidungen des Unternehmens.

3. Hiring for attitude, not for skills

Ich habe vorhin davon gesprochen, dass es nicht genug Fachkräfte auf dem Markt gibt. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, Mitarbeiter auszubilden, und nicht ausschließlich nach vorhandenen Qualifikation zu suchen. Wir müssen unsere Quote potenzialbasiert ausrichten und nicht rein auf die Qualifikationen schauen. Die Qualifikationen, die wir heute suchen, sind oft nicht mehr oder eben noch nicht auf dem Arbeitsmarkt.

„Hire for attitude“ bedeutet, dass wir vermehrt nach Kandidat:innen Ausschau halten sollten, die das Potenzial mitbringen und zur Unternehmenskultur passen, und in den benötigten Qualifikationen im Unternehmen ausgebildet werden.


Zusammenfassung

Der Fachkräftemangel hat uns überall eingeholt. Wenn Stellen nicht besetzt werden können, liegt das aber nicht nur an der Situation am Arbeitsmarkt, sondern oft auch an interneren Prozessen. In Zukunft werden Unternehmen…
• Führungskräfte aktiv ins Recruiting einbinden,
• Recruiting als der Unternehmensstrategie verstehen;
• nach Kandidat:innen mit Potenzial suchen und die Ausbildung selbst übernehmen.

Sarah Weber

Die Autorin

Sarah Weber ist HR-Expertin mit über 15 Jahren Erfahrung im Recruiting und Employer Branding im Technologie-Sektor. Die gebürtige Rheinländerin ist Mutter eines Sohnes und einer Tochter, zur Zeit trainiert sie für ihren zweiten Halb-Marathon.

sarah.weber@wolkenrot.at