Galt Nachhaltigkeit bisher lediglich als Möglichkeit, sich vom Mitbewerb abzuheben, so verpflichten neue Richtlinien die Unternehmen, über ihre Tätigkeit und über ihre Fortschritte berichten.
Lange Zeit wurde Nachhaltigkeit in der Wirtschaft vor allem als Möglichkeit gesehen, sich positiv von Mitbewerbern abzuheben. Oder Unternehmen investierten in ökologische und soziale Nachhaltigkeitsinitiativen aus ethischer Überzeugung. Eine Verpflichtung oder Antwort auf rechtliche Anforderungen war dieses Engagement meist nicht.
Durch die Einführung umfangreicher Berichtspflichten wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und damit verbundenen Berichtsstandards wie den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ändert sich dies für viele Unternehmen grundlegend. Es werden neue Maßstäbe für Transparenz und Verantwortlichkeit gesetzt und nachhaltiges Wirtschaften wird von einer Option zu einer Notwendigkeit.
Ab 2025 müssen Unternehmen ab einer bestimmten Unternehmensgröße für das Jahr 2024 rückwirkend berichten. Dabei geht es in Zukunft nicht nur um den Status Quo sondern um die Veränderungen bzw. Fortschritte, die dokumentiert werden müssen.
Durch den Druck in den Wertschöpfungsketten bzw. durch die Erwartungen der Konsument:innen werden Unternehmen, die nicht berichtspflichtig sind, gezwungen, bestimmte Nachhaltigkeitsdaten zu erheben und zu kommunizieren. Nur so können sie ihren Platz in den Wertschöpfungsketten sichern bzw. Risiken minimieren, um z.B. bei den erzielbaren Preisen nicht unter Druck zu geraten.
Was bedeutet ESG?
ESG steht für Environmental, Social, and Governance – drei Schlüsseldimensionen, die die Nachhaltigkeit und ethische Ausrichtung eines Unternehmens abbilden. Diese Dimensionen ermöglichen es Investor:innen und Stakeholder:innen, die langfristigen Risiken und Chancen eines Unternehmens zu bewerten. Dabei reflektiert die Umweltdimension (Environmental) das Engagement eines Unternehmens im Bereich Umweltschutz, die soziale Dimension (Social) dessen Verantwortung gegenüber Mitarbeiter:innen und Gemeinschaften und die Governance-Dimension dessen Führungsqualität und Transparenz.
Die Betonung der ESG-Faktoren ist Ausdruck des wachsenden Bewusstseins, dass nachhaltiges Wirtschaften für den langfristigen Erfolg von entscheidender Bedeutung ist. Dieser Ansatz stärkt das Vertrauen der Investor:innen und der Öffentlichkeit in Unternehmen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen und aktiv an der Gestaltung einer besseren Zukunft mitwirken.
Zwischen Pflicht und Chance: Die duale Rolle von Nachhaltigkeitsstrategien
Bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien bewegen sich Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Compliance und der Erschließung von Potenzialen. Compliance-Orientierung sichert die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und stärkt durch transparente Berichterstattung das Vertrauen der Stakeholder. Compliance ist aber nur der erste Schritt. Nachhaltigkeit bietet darüber hinaus weitreichende Potenziale: Sie wirkt als Katalysator für Innovationen, erschließt neue Märkte und verbessert das Risikomanagement.
Wirksame Nachhaltigkeitsstrategien erfordern ein holistisches Verständnis, das über reine Compliance hinausgeht und die Chance erkennt, durch nachhaltiges Handeln Wettbewerbsvorteile und langfristige Werte zu schaffen. Nachhaltigkeit muss als Querschnittsmaterie verstanden werden, die das Engagement aller Unternehmensbereiche erfordert und nicht isoliert von einer Stabsstelle gemanagt werden kann. Mit einer solchen integrierten Strategie können Unternehmen nicht nur ihren regulatorischen Verpflichtungen nachkommen, sondern aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft mitwirken.
Was hat HR damit zu tun?
Zum einen müssen sich Unternehmen im Rahmen der Berichtspflichten mit konkreten Personalagenden, wie Arbeitsbedingungen, die Arbeitssicherheit, sowie faire Löhne, wie z.B. den Gender-Pay-Gaps auseinandersetzen um ggf. darüber zu berichten. Andererseits benötigt man sowohl für die Strategie als auch die Berichterstellung in der Organisation entsprechendes KnowHow und Personalressourcen, wo HR gefordert sein wird. Und drittens zwingen die sich laufend verändernden Rahmenbedingungen die Unternehmen zu einer langfristigen Veränderung, einem Change-Prozess, in dem HR in der Rolle der Organisationsentwickler eine wichtige Rolle spielen wird.
Interim Management kann bei Veränderungsprozessen helfen. Speziell für KMUs könnten hier innovative und ressourcenschonende Ansätze sinnvoll sein, wie etwa ein gemeinsames Kompetenzzentrum, auf das mehrere Unternehmen zurückgreifen.
Beispiel 1
Ein Produktionsunternehmen in Oberösterreich zeichnet sich bereits durch gut dokumentierte Prozesse im Bereich der Produktion aus und kann seine
dBerichtspflichten gut und selbstständig erfüllen. Das Unternehmen plant das Geschäftsmodell in Richtung Nachhaltigkeit zu diversifizieren und in neue Märkte einzusteigen. Dafür war es notwendig, den Bereich HR-Management zu stärken, um im Vergleich zum Mitbewerb genügend gut ausgebildete Mitarbeiter:innen rekrutieren und diesen attraktive Arbeitsbedingungen bieten zu können.
Die Geschäftsführung entschied sich, eine HR-Interim-Managerin mit Erfahrung im Bereich Nachhaltigkeit einzustellen, um die Personalabteilung neu zu strukturieren und die Rekrutierungsstrategie zu verbessern. Dieser Schritt unterstreicht die Bedeutung von flexiblen und strategisch ausgerichteten HR-Praktiken in Zeiten des Wandels.
Beispiel 2
Ein weiteres Beispiel ist ein Lebensmittelproduzent in Niederösterreich, der vorwiegend regionale Zulieferer nutzt und Nachhaltigkeit seit Langem in seinem Selbstverständnis verankert hat. Trotzdem sieht sich das Unternehmen mit der Herausforderung konfrontiert, seine nachhaltigen Praktiken im Rahmen der neuen rechtlichen Berichterstattungsanforderungen neu zu erfassen und zu kommunizieren.
Mit Unterstützung externer Berater:innen entwickelt das Unternehmen gerade einen Berichtsprozess, der den neuen Standards angepasst ist. Entsprechend werden im Rahmen dieses Transformationsprojekts neue Organisationsstrukturen geschaffen. Auf dieser Basis kann in der Folge die Markenkommunikation noch stärker auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden, ohne Gefahr zu laufen, Greenwashing zu betreiben.
Beispiel 3
Kleine Unternehmen, wie z.B. Start-Ups für die Nachhaltigkeit ein fundamentaler Bestandteil ihrer Identität und ihres Geschäftsmodells ist, stehen vor besonderen Herausforderungen durch die Einführung neuer rechtlicher Regelungen wie zum Beispiel der „Empowering the Consumer for a green Transition“. Diese Unternehmen, oft Pioniere in der Integration von Umwelt- und Sozialverantwortung in ihre Kernaktivitäten, müssen nun ihre Praktiken und Kommunikationsstrategien sorgfältig überprüfen und anpassen.
Die Richtlinie zielt darauf ab, irreführende Umweltbehauptungen („Greenwashing“) zu bekämpfen und setzt damit strenge Maßstäbe für die Glaubwürdigkeit und Nachprüfbarkeit von Nachhaltigkeitsaussagen. Während diese Entwicklungen das übergeordnete Ziel verfolgen, Transparenz und Vertrauen in den Markt zu stärken, konfrontieren sie gerade kleinere Unternehmen, die Nachhaltigkeit bereits tief verankert haben, mit zusätzlichen administrativen und finanziellen Belastungen.
Diese Unternehmen müssen nun beweisen, dass ihre umweltfreundlichen und sozialen Initiativen den strengen neuen Anforderungen entsprechen, was die Notwendigkeit unterstreicht, Nachhaltigkeit nicht nur zu praktizieren, sondern auch effektiv und konform zu kommunizieren.
5 Strategien für HR, um ESG voranzutreiben
Die Rolle der HR-Abteilungen in diesem Kontext ist vielfältig und umfasst die Entwicklung von Kompetenzen, die Förderung einer nachhaltigen Unternehmenskultur und die Unterstützung der organisatorischen Anpassung an die neuen Anforderungen. Themenbereiche könnten sein:
- Bewusstsein zum Thema schärfen: Entwicklung von Kompetenzen, die Förderung einer nachhaltigen Unternehmenskultur und die Unterstützung der organisatorischen Anpassung an die neuen Anforderungen durch Schulungen, Workshops und Kommunikationskampagnen, um das Bewusstsein der Mitarbeiter für ESG-Themen zu schärfen und ihre Bedeutung im Unternehmen zu verdeutlichen.
- Know-how ins Unternehmen holen: Durch Rekrutierung von Mitarbeitern mit Fachkenntnissen im Bereich ESG , um das Unternehmen mit Expertise zu stärken.
- Entwicklung einer langfristigen Strategie: Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Umsetzung einer umfassenden ESG-Strategie, die langfristige Ziele definiert und Maßnahmen zur Integration von ESG-Prinzipien in das Unternehmen festlegt.
- Integration von ESG in das Controlling: Abgesehen von der Notwendigkeit im Rahmen der CSRD die nicht-finanzielle Berichterstattung auszubauen, bietet die systematische Einbindung von ESG-Aspekten in das Controlling Vorteile für die effektive Umsetzung einer Unternehmensstrategie die ESG-Ziele verfolgt.
- Aufbau einer spezialisierten Organisationseinheit:
Einrichtung von auf die Transformation fokussierte Rollen und Abteilungen bzw. Projektteams. hase der Transformation scheint es wesentlich, spezialisierte Rollen und Abteilungen einzurichten. Dabei können HR-Interim-ManagerInnen temporär unterstützen, um die Einführungsphase professionell zu begleiten.
Zusammenfassung
Nachhaltigkeit wird zum integralen Bestandteil der Geschäftsführung. Das hält Unternehmen aller Größenordnungen zu einer aktiven strategische Herangehensweise. Die Herausforderungen sind groß, bieten jetzt aber die Chance, Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu gestalten.
Die HR-Abteilung spielt dabei eine zentrale Rolle, indem sie die Entwicklung von Kompetenzen, die Förderung einer nachhaltigen Kultur und die Unterstützung bei organisatorischen Anpassungen vorantreiben und begleiten kann.
Die Autorin
Susanne Buchberger hat mehr als zwei Jahrzehnte HR-Erfahrung in unterschiedlichen Funktionen und deckt die gesamte Bandbreite von Recruiting über Personalentwicklung bis Arbeitsrecht ab. Sie leitete über viele Jahre die Personalabteilung eines internationalen Konzerns und ist seit 2019 als selbständige HR-Interim-Managerin tätig.