Gehaltskrise meistern: Konzepte für gesunde Personalkosten

07.04.2025 | Human Ressources, Interim-Management

Steigende Personalkosten setzen Unternehmen massiv unter Druck. Wie lassen sich Gehaltsstrukturen nachhaltig optimieren, ohne Motivation und Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden?

Gehaltskrise meistern: Konzepte für gesunde Personalkosten
Gehaltskrise meistern: Konzepte für gesunde Personalkosten

Die Situation

Personalkosten gehören zu den größten Ausgaben in Unternehmen: Sie betragen etwa 30 % in produzierenden Unternehmen und bis zu 70 % in der Dienstleistungsbranche. Die wirtschaftliche Lage der letzten Jahre hat viele Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt. Löhne und Gehälter sind durch hohe Kollektivvertragsabschlüsse deutlich gestiegen, während viele Firmen gleichzeitig mit steigenden Energie- und Materialkosten kämpfen.

Es lassen sich drei Gruppen unterscheiden, die unterschiedlich auf die wirtschaftlichen Veränderungen reagieren:

Branchen ohne Krise

Bestimmte Sektoren wie IT oder Steuerberatung profitieren weiterhin von einer hohen Nachfrage und spüren die wirtschaftlichen Herausforderungen kaum. Für sie bleibt der Arbeitsmarkt zwar angespannt, aber es herrscht noch wenig Druck, die Gehaltskosten zu senken.

Unternehmen mit privilegiertem Zugang zu Finanzierung

Großunternehmen aus dem Gesundheitswesen, der Energiebranche oder Banken können gestiegene Kosten weitergeben oder auf staatliche Unterstützung hoffen. Beispielsweise konnten Fluglinien Subventionen erhalten, und bestimmte Branchen können Preissteigerungen direkt an Kunden weitergeben. Ihre Personalstrategien bleiben daher oft unverändert.

Unternehmen unter Druck

Der Großteil der Unternehmen im produzierenden Bereich und im Dienstleistungssektor steht teils unter massivem Kostendruck. Energiekosten stiegen um bis zu 50 %, Materialpreise um 30 % und durch hohe Kollektivvertragsabschlüsse sind auch die Personalkosten um bis zu 30 % gewachsen. Diese Unternehmen müssen ihre Kostenstrukturen überdenken, um langfristig überlebensfähig zu bleiben.

Ein großes Problem ist die Dynamik bei den Gehältern. Weil Unternehmen in den Jahren nach der Pandemie händeringend Fachkräfte suchten, wurden viele neue Mitarbeitende mit deutlich höheren Gehältern angeworben – teils 50 % über dem, was langjährige Mitarbeiter:innen verdienen. Diese Gehaltsdifferenzen führen zu Spannungen in den Betrieben und erschweren faire Vergütungsmodelle. Gleichzeitig bleibt durch hohe Kollektivvertragsabschlüsse kaum noch Spielraum für leistungsbezogene Gehaltsanpassungen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Gehaltsstrukturen anzupassen, ohne Motivation und Engagement der Mitarbeitenden zu gefährden.

Strategien aus der Gehaltskrise

Um den steigenden Kostendruck zu bewältigen, sind durchdachte Maßnahmen erforderlich. Neben Einsparungen in anderen Bereichen wie Einkauf und Marketing sind auch interne personalstrategische Maßnahmen notwendig. Es reicht nicht, kurzfristig Gehälter einzufrieren – nachhaltige Lösungen müssen entwickelt werden, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ein gut strukturiertes Bonus- und Gehaltssystem kann Fehlanreize verhindern und gleichzeitig Motivation erhalten. Statt pauschaler Gehaltserhöhungen kann das Unternehmen verstärkt auf leistungsabhängige Vergütungsmodelle setzen. So bleibt finanzielle Anerkennung möglich, ohne die Fixkosten weiter zu erhöhen. Eine sorgfältige Analyse der bestehenden Gehaltsstruktur hilft zudem, Ungleichgewichte zu identifizieren und gezielt auszugleichen, insbesondere zwischen neu eingestellten und langjährigen Mitarbeitenden.

Externe Berater:innen oder Interim-Manager:innen können eine wertvolle Unterstützung sein, insbesondere wenn es darum geht, neutrale Benchmarks zu setzen oder schwierige Entscheidungen objektiv zu begleiten. In Unternehmen, in denen interne Strukturen Verhandlungen erschweren, kann eine externe Moderation helfen, Einsparpotenziale aufzuzeigen, ohne die Glaubwürdigkeit der Führungsebene zu gefährden.

Personalkosten senken ohne Kündigungen

Sozialverträgliche Maßnahmen wie freiwillige Gehaltsverzichte, Arbeitszeitreduktionen oder individuelle Vereinbarungen mit Mitarbeitenden können ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Kostenoptimierung sein. Viele Unternehmen bieten in Krisenzeiten beispielsweise die Möglichkeit, Stunden zu reduzieren,auf Boni zu verzichten oder Gehaltserhöhungen zu verschieben, anstatt sofort zu drastischen Maßnahmen wie Kündigungen zu greifen.

„Das schlimmste ist, bei Mitarbeitenden zu sparen und dann eine neue Dienstwagenflotte für den Vorstands zu bestellen.“

Conrad Pramböck, Gehaltsexperte

Auch strategische Personalplanung kann einen wesentlichen Beitrag leisten: Unternehmen sollten offene Stellen kritisch hinterfragen und nur dort nachbesetzen, wo es zwingend notwendig ist. Eine intelligente Ressourcenverteilung innerhalb des Unternehmens kann helfen, Personal effizienter einzusetzen, anstatt durch unkontrollierte Neueinstellungen weitere Kosten zu verursachen.

Automatisierung von Prozessen kann dazu beitragen, administrative Aufgaben zu reduzieren und so Personalkosten indirekt zu senken. Besonders im Bereich der Datenanalyse, Personalverwaltung und internen Berichterstattung gibt es viele Möglichkeiten, durch moderne Technologien effizienter zu arbeiten.

Die richtige Strategie zur Senkung der Personalkosten erfordert eine Kombination aus strukturellen Anpassungen, strategischer Personalplanung und gezielten Einsparungsmaßnahmen. Unternehmen, die frühzeitig agieren und nachhaltige Lösungen erarbeiten, können ihre finanzielle Stabilität sichern, ohne dabei die Motivation ihrer Mitarbeitenden zu gefährden.

Beispiel 1

Ein Industriebetrieb in Oberösterreich stand vor dem Problem steigender Kosten und drohender Millionenverluste. Kunden waren nicht bereit, höhere Preise zu zahlen, und der Betriebsrat wehrte sich zunächst gegen Gehaltskürzungen. Die Unternehmensleitung entschied sich für eine sozial gestaffelte Lösung, um Kündigungen zu vermeiden.


Zunächst wurden Gespräche mit den Führungskräften geführt, die als Signalwirkung als erste Gehaltskürzungen akzeptierten. Danach wurde ein Modell entwickelt, bei dem hohe Gehälter stärker reduziert wurden, während die niedrigsten Gehaltsstufen unangetastet blieben. Der Betriebsrat blieb in den Prozess eingebunden, konnte aber nicht verhindern, dass einzelne Kündigungen als Druckmittel genutzt wurden.


Über Monate hinweg wurden persönliche Gespräche mit allen Mitarbeitenden geführt, um individuelle Vereinbarungen zu treffen. Schließlich stimmten 90 % der Belegschaft der Lösung zu, wodurch das Unternehmen seine Wettbewerbsfähigkeit sichern konnte. Die Maßnahmen dauerten rund neun Monate, belasteten zwar das Betriebsklima, führten aber langfristig zur Stabilisierung.

Beispiel 2

Ein mittelständisches Dienstleistungsunternehmen expandierte international, ohne dabei auf die Rentabilität einzelner Standorte zu achten. Die Geschäftsleitung wollte das Image eines erfolgreichen Wachstumsunternehmens wahren und schloss aus Prestigegründen unrentable Niederlassungen nicht. Trotz negativer Bilanzen wurden Kosten nicht gesenkt, sondern mit Durchhalteparolen ignoriert.

Als sich die Liquiditätslage zuspitzte, verweigerte die Bank schließlich die weitere Finanzierung. Anstatt frühzeitig umzusteuern, musste das Unternehmen in der Folge Insolvenz anmelden, da am Jahresende die Gehälter nicht mehr bezahlt werden konnten. Der Fall zeigt, dass rechtzeitiges Gegensteuern notwendig ist, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, auch wenn es kurzfristig unangenehme Entscheidungen erfordert.

Lösungsstrategien

1. Kommunikation mit Fingerspitzengefühl

Kunden und Mitarbeitende sollten nicht als Erste von wirtschaftlichen Schwierigkeiten erfahren – das verunsichert und schadet dem Vertrauen. Wer gleichzeitig Benefits kürzt und neue Dienstwagen bestellt, verspielt jede Glaubwürdigkeit. Die Reihenfolge der Maßnahmen und die begleitende Kommunikation sind entscheidend.

2. Einsparungen abseits der Gehälter

Bevor an Personalkosten gespart wird, sollten alle anderen Kostenpositionen kritisch geprüft werden. Neue Verhandlungen mit Lieferanten, ein Zurückfahren des Marketingbudgets oder das Aussetzen geplanter Investitionen bieten oft sofortigen finanziellen Spielraum.

3. Externe Expertise nutzen

Krisenprozesse überfordern oft die interne Personalabteilung. Ein externer Berater kann schwierige Gespräche moderieren, objektive Gehaltsbenchmarks liefern und als neutraler Sparringspartner zwischen Management und Mitarbeitenden vermitteln. In kritischen Phasen ist auch ein Interim-HR-Profi eine gute Lösung.

4. Einstellungsstopp statt Kündigung

Nicht jede frei werdende Stelle muss nachbesetzt werden. Ein temporärer Aufnahmestopp reduziert Kosten nachhaltig und schafft Zeit, um Strukturen neu zu ordnen. Das wirkt weniger demotivierend als Kündigungen und ist intern wie extern besser zu kommunizieren.

5. Boni am Unternehmenserfolg ausrichten

Ein gutes Bonussystem unterscheidet zwischen individuellen Leistungen und unternehmerischem Erfolg. Wenn auch in Verlustjahren 100 % Boni ausgeschüttet werden, stimmt das System nicht. Ziel muss sein: Kein Bonus ohne Gewinn – mit klarer Erfolgslogik für alle Beteiligten.

6. Trennungen strategisch umsetzen

Falls Kündigungen unvermeidbar sind, sollten zuerst Low-Performer, dann Niedrigqualifizierte und schließlich Backoffice-Funktionen geprüft werden. Vertriebsmitarbeitende, die auch in schwierigen Zeiten Ergebnisse liefern, sollten zuletzt betroffen sein. Der Fokus liegt auf langfristiger Leistungsfähigkeit.

7. Prozesse verschlanken und digitalisieren

Viele Reports, Meetings und Routinen lassen sich verschlanken oder automatisieren. Künstliche Intelligenz kann repetitive Aufgaben übernehmen und so Produktivität steigern – etwa bei Datenauswertungen oder Standardkommunikation. Dabei ist auf Datensicherheit und Sandbox-Umgebungen zu achten.

8. Sozialpläne fair gestalten

Wenn es zu Personalabbau kommt, sollte dieser fair und transparent gestaltet sein. Ein gut verhandelter Sozialplan reduziert Risiken und erhält den sozialen Frieden im Unternehmen. Wichtig: Keine Sonderboni für das Management in dieser Phase – das untergräbt jede personelle Maßnahme.


Zusammenfassung

Unternehmen stehen unter massivem Druck durch steigende Personalkosten. Statt vorschnell Gehälter zu kürzen, sollten strategische Maßnahmen ergriffen werden. Effiziente Kostenreduktionen, nachhaltige Personalstrategien und sozialverträgliche Anpassungen sichern die Wettbewerbsfähigkeit. Wer rechtzeitig handelt, kann Krisen erfolgreich bewältigen und sein Unternehmen zukunftssicher aufstellen.

Renate Lugmair

Die Autorin

Renate Lugmair ist eine erfahrene HR-Expertin.. Sie ist als HR Interim Managerin bei Wolkenrot tätig und begleitet Unternehmen in Transformationsprozessen. Mit ihrem praxisnahen Ansatz hilft sie Organisationen, zukunftsorientierte HR-Konzepte umzusetzen. Sie Mutter von drei Töchtern und begeistert sich für Fremdsprachen, Reisen und gesundes Kochen.

lugmair1103@yahoo.de