Wie leicht fällt es dir, einem Kind zu erklären, was du beruflich machst? Mein Name ist Julia Lipok, ich bin HR Interim-Managerin bei Wolkenrot, und ich habe es versucht.
„Tante Julia, was arbeitest du eigentlich?“ Diese scheinbar einfache Frage stellte mir neulich – ganz beiläufig – Moritz, der siebenjährige Sohn eines Freundes, im Skiurlaub. Es ist mehr als verständlich, dass sich Kinder in diesem Alter dafür interessieren, was Erwachsene so den ganzen Tag tun, während sie selbst in der Schule sitzen müssen.
Zunächst schien Moritz schon zufrieden mit der Erkenntnis, dass auch Erwachsene irgendwo sitzen und etwas tun müssen. Aber dann wollte er ganz genau wissen, was ich mache. Ich dachte bei mir: nichts leichter, als den eigenen Job zu erklären, oder?
Ich grübelte kurz nach, was mir als Definition für Interim Management einfiel:
Interim Management ist eine zeitlich begrenzte Managementlösung, bei der ein erfahrener Interim Manager für einen Zeitraum von etwa drei bis neun Monaten eine Führungsrolle in einem Unternehmen übernimmt, um eine vorübergehende Vakanz zu überbrücken.
Diese Vakanzen können aus verschiedenen Gründen entstehen, wie beispielsweise Mutterschaftsurlaub, schnelle Abgänge von Führungskräften oder strategische Bedürfnisse, die eine sofortige Besetzung erfordern. Sobald der Interim Manager Zugang zu den relevanten Unternehmensinformationen hat, übernimmt er die Aufgaben des Vorgängers und bringt seine Fachkenntnisse ein, um schnell Lösungen für bestehende Probleme zu finden.
Durch diese zeitlich begrenzte Expertise von außen gelingt ein nahezu nahtloser Übergang in der Unternehmensführung.
Mir wurde schnell klar, dass Moritz mit seinen sieben Jahren diese Definition nicht akzeptieren würde, wo doch selbst meine erwachsenen Bekannten oft nur ratlose Gesichter zeigen.
Die Eltern des kleinen Moritz sind Ärzte. In seiner Verwandtschaft gibt es noch eine Architektin, und seine leibliche Tante ist im Tourismus tätig, sie vermietet in den Bergen Appartements an Urlauber. Darunter konnte sich Moritz etwas vorstellen und seine Erwartungshaltung war dementsprechend. Ich entschloss mich, meine Tätigkeit als Interim Managerin in ganz einfachen Worten zu erklären:
„Also Moritz: Ich rede viel mit Menschen und stelle viele Fragen. Dabei höre ich den anderen zu und bemühe mich zu verstehen, was sie brauchen und welche Probleme sie haben. Danach versuche ich dann Abläufe für die Firma zu machen, damit das, was die Menschen dort brauchen, dann da ist, wenn sie es brauchen, oder sie wissen, wo sie suchen können, darum schreibe ich ihnen alles ganz genau auf, damit sich alle auskennen…“
Moritz machte ein ratloses Gesicht. Es war doch nicht so leicht, wie ich feststellen musste. Ich dachte an Einsteins Worte: „Wer es nicht einfach erklären kann, hat es selbst nicht wirklich verstanden.“ Ich nahm also einen neuen Anlauf:
„Ich suche neue Kollegen und Kolleginnen für eine Firma und erkläre den Menschen, warum sie dort arbeiten wollen. Oder ich begleite sie, wenn sie dort zu arbeiten anfangen. Außerdem bin so etwas wie eine Lehrerin, nur für Erwachsene. Die besuchen dann meine Klasse und lernen dort etwas.“
Moritz verfolgte meine Erklärung mit einem gemischten Blick aus Ungläubigkeit und Staunen. Das unterschied sich deutlich von dem, was er bisher gehört hatte. Ich merkte, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn ich Skispringerin gewesen wäre. Tja, das geht sich in diesem Leben leider nicht mehr aus…
Ich war jedoch entschlossen, diese Herausforderung zu meistern. Ich habe schon so vielen Unternehmen bei großen Schwierigkeiten geholfen, und jetzt sollte ich an einem Siebenjährigen scheitern? Das war nicht akzeptabel. Also wollte ich es noch einmal versuchen:
„Ich bin eine Zeit lang die Chefin einer Abteilung, wenn der alte Chef nicht mehr zur Arbeit kommt. Ich löse dort Probleme und erledige schwierige Aufgaben, die die anderen alleine nicht schaffen. Und dann gehe ich wieder, wenn meine Arbeit getan ist oder wenn sie einen neuen gefunden haben, der der Chef sein will.“
Wir stiegen schweigend in die Gondel ein. Die Hoffnung blieb. Zumindest für ein paar Jahre konnte ich noch als versierte Skifahrerin in seinen Augen brillieren.
Wann ist ein Interim Manager sinnvoll?
1. Vakanz
Eine Manager:in verlässt das Unternehmen und die Stelle lässt sich kurzfristig nicht neu besetzen.
2. Restrukturierung
Das Unternehmen befindet sich in einer Restrukturierung. Die Geschäftsführung holt sich die Unterstützung einer erfahrenen externen Interim Manager:in.
3. Karenz
Eine Manager:in geht in Karenz und möchte nach einem halben Jahr in Teilzeit zurückkehren. Ein Interim-Manager übernimmt die Agenden und ermöglicht ihr bei der Rückkehr einen Soft-Start.
4. Fehlende Ressourcen
Eine erfahrene Interim Manager:in übernimmt die Projektleitung, wenn ein spezielles Projekt rasch und professionell umgesetzt werden muss.
Zusammenfassung
Interim Management ist eine zeitlich begrenzte Managementlösung, bei der ein erfahrener Interim Manager eine Führungsrolle in einem Unternehmen übernimmt, um eine vorübergehende Vakanz zu überbrücken oder um neue Projekte umzusetzen.
Die Autorin
Julia Lipok ist HR-Professional mit zwei Jahrzehnten Berufserfahrung. Sie begleitet Teams, Führungskräfte und Organisationen, die sich verändern wollen. Ihre Freizeit verbringt die begeisterte Sportlerin in den Bergen bei Skitouren oder Freeriden. „Mut kann man nicht kaufen, aber man kann mutig sein üben“, weiß sie aus eigener Erfahrung.